„Dorfpride, Dorfpride, Dorfpride!“

Knapp 2.000 Menschen feierten „loud and proud“ in der Römerstadt Ladenburg für Respekt und Anerkennung queerer Menschen.

Es hätte kaum besser laufen können: Das Wetter stimmte, der Zeitplan funktionierte und alles war perfekt vorbereitet. Beste Voraussetzungen für die bereits dritte Dorfpride im Rhein-Neckar-Kreis, die dieses Jahr in Ladenburg stattfand.

„Wir wollen mit der Dorfpride mehr Sichtbarkeit für verschiedene sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten herstellen – vor allem in ländlich geprägten Gegenden, denn queere Menschen gibt’s in jedem Dorf!“, begrüßte das Orgateam die knapp 2.000 Teilnehmenden auf der Ladenburger Festwiese und ließen während der Startkundgebung keinen Zweifel daran, dass der Kampf um gleiche Rechte für queere Menschen noch immer notwendig sei: „Besonders in ländlichen Regionen bilden Menschen, die out sind und sichtbar werden, häufig eine Minderheit“ und als solche seien sie besonders von Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt bedroht. Auch die queerfeindlichen Übergriffe – beispielsweise auf dem CSD in Karlsruhe oder in Oslo – sind für das Dorfpride Orgateam Anlass genug zu demonstrieren. Für gleiche Rechte, für Maßnahmen, um strukturelle Diskriminierungen zu verhindern, für Beratungs- und Unterstützungsangebote in jedem Dorf.

Sozusagen als Hausherr begrüßte Bürgermeister Stefan Schmutz die Community in Landeburg und stellt klar: „Liebe lässt sich nicht verordnen, und die Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit und Identität lässt sich nicht verhandeln.“ Die Pfarrer David Reichert und Matthias Stößer stellen sich in ihren Reden ebenfalls hinter die Community und fordert Toleranz, Akzeptanz und Gleichberechtigung queerer Menschen.

Die Schirmfrauschaft haben dieses Jahr Elena Barba und Julia Priller übernommen, die Teil des Instagram-Accounts „HappyPolyFamily“ sind. Sie rückten das Thema Familie in all ihren unterschiedlichen Formen in den Mittelpunkt ihrer Rede und forderten, „dass jede Form von Familie, Liebe, Beziehung, Sexualität und Identität als normal angesehen wird und jeder Mensch so leben und lieben kann, wie er ist.“

Und zum Abschluss machte Coley von Queer Youth Heidelberg vor allem auf die Situation vieler junger Menschen aufmerksam, die gerade in letzter Zeit wieder zunehmend von Anfeindungen betroffen seien und

Beim Start des Zuges sprühten die Emotionen: Die beiden DJanes Miss D und Käry auf den Wagen sorgten für die passenden Beats, um den bunten Zug musikalisch durch Ladenburgs malerische Altstadt zu begleiten. Die Menschen liefen und tanzten vorbei an den großen Regenbogenfahnen, die Stadt und Kirchen gehisst hatten und vorbei am Wasserturm, der bereits zwei Wochen vorher  abends in Regenbogenfarben beleuchtet wurde. Bunte Fahnen, hauptsächlich Regenbogenfahnen, aber auch solche, die für unterschiedliche sexuelle Orientierungen oder geschlechtliche Identitäten stehen, wehten im Wind. Bunte Luftballons schwebten über der Menge, neben bunten, selbstgemalten Transparenten: ‚Love is love‘ stand auf einem, ‚Out and proud‘ auf einem anderen. Auf dem Domhofplatz, auf dem Marktplatz wehten die Regenbogenfahnen und begrüßten den Zug. Auf den Plätzen und am Straßenrand standen und winkten Menschen, die mit den Demonstrierenden feiern und sie in ihren Forderungen unterstützten. Und überall blickte man eineinhalb Stunden lang hundertfach in glückliche Gesichter. Die Stimmung nehmen die Teilnehmenden mit auf der Festwiese zur Abschlusskundgebung.

Mathis von der Schülermitverantwortung des Karl-Benz-Gymnasiums forderte dort mehr Einrichtungen zur Unterstützung von queeren Menschen im Rhein-Neckar-Kreis. Insbesondere für Jugendliche müsse noch einiges getan werden: „Es haben weiterhin Schüler Angst, sich zu outen. Und das wollen wir ändern. Wir wollen queeren Jugendlichen einen sicheren Hafen bieten und vor allem wollen wir queere Mitschüler vor Diskriminierung schützen“.

Johannah Illgner verlas im Anschluss daraun einen Text von Klemens Ketelhut, der sich mit dem Wesen einer ‚Pride‘ auseinandersetzt: „Pride – Stolz – wird damit zu einer möglichen Bearbeitungsstrategie, die ihre Stärke aus kollektivem Handeln zieht und das Individuum aus seiner Vereinzelung“, Pride sei darum ein Mittel, um gegen gesellschaftliche Diskriminierungen aufzubegehren – und zwar gemeinsam als Gemeinschaft.  „Pride ist auch ein Moment der Wut auf eine Gesellschaft, die queere Menschen in ihrem beschämten Status festhalten und so kontrollieren will. In diesem Sinne ist pride eine Aufforderung: seid laut, seid wütend und verbündet euch.“

Katrin und Hannah vom Queeren Zentrum Mannheim nahmen diesen Gedanken auf.

„Pride kann vieles sein: Für manche ist es eine Party, für manche ist es das erste Mal, dass sie sich sichtbar als queere Person in der Öffentlichkeit bewegen. Und es ist ein Ort und eine Plattform, um unsere Forderungen nach außen zu tragen.“ Aber die Forderungen seien das, was alle Teilnehmenden eint: „wir wollen die gleichen Rechte und den gleichen Schutz wie heterosexuelle Menschen. Ob es um unsere Unversehrtheit geht im Öffentlichen Raum, in der Schule oder Uni, in Kultur und Kunst,  bei der Arbeit oder für unsere Familien.“

[Liam aus Karlsruhe, PLUS, Ulli Biechele]

Vor den Schlussworten des Orgateams gab es dann nochmal Musik: Das Duo Al_e_v und Selay heitzte mit anatolischen Beats und orientalischen Trommeln ein und , die wunderbaren Tänzer*innen der Tanzlab Joann Ordonez begleiteten die musikalische Performance. Und das war ansteckend, denn am Ende tanzt die ganze Festwiese ausgelassen und fröhlich.

Diese ausgelassene Stimmung gehört zur Dorfpride. Zugleich ist die Dorfpride aber eben auch eine Demonstration für Menschenrechte – für die Rechte der queeren Community. „Wir sind sehr stolz darauf, dass heute so viele queere Menschen hier vor Ort sind und so viele Menschen, die sich mit uns solidarisieren und gemeinsam für die Rechte von lesbischen, schwulen, bi, trans, inter und queeren Menschen auf die Straße gehen“, hieß es in der Abschlussrede des Orga-Teams.

Und am Ende geht es nicht darum, die größte Party zu feiern, sondern etwas für queere Menschen auf dem Land zu bewegen und Veränderungen anzuregen: Zum Beispiel Vorurteile durch Begegnungen abzubauen, aber eben auch auf struktureller Ebene notwendige Veränderunge  zu fordern. Zum Beispiel mehr Beratungsangebote, mehr Fortbildungen und Bewußtseinsbildung für Lehrkräfte und Verwaltungsmitarbeitende. Mehr sichere Räume und mehr Öffentlichkeitsarbeit zum Abbau von Vorurteilen. Alles mit dem Ziel, Benachteiligungen zu beenden und echte Anerkennung und Respekt für alle Menschen – unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer sexuellen Orientierung – zu erreichen. Auch wenn die Erreichung dieses Ziels einen langen Atem braucht, ist das Orgateam zuversichtlich, dass dies gelingen kann, wenn die Community zusammenhält. Und dass sie zusammenhalten und gemeinsam laut werden kann, beweist sie ganz zum Schluss ein letztes Mal mit einem dreifachen „Dorfpride!, Dorfpride!, Dorfpride!“